bad religion interview

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interview I

Das Interview wurde im April 1999, kurz bevor "New America" erschien mit Greg Hetson, dem Gitarristen der Band, der bereits seit 1984 dabei ist aufgenommen

Spielt ihr lieber in kleinen Clubs oder macht es in den grossen Hallen, wo man nicht so nahe bei den Zuchauern ist, mehr Spass?
Es macht viel mehr Spass in kleinen Clubs zu spielen. Das Problem dabei ist aber, dass viele Fans draussen bleiben müssen und die sind dann sauer. Darum müssen wir irgendwann zurückkommen und in größeren Hallen spielen.

Tretet ihr gerne auf Festivals auf? Dort spielt ihr ja vor enorm vielen Zuschauern.
Das gute an Festivals ist, dass man gemeinsam mit Bands spielt, mit denen man normalerweise nie zusammen spielen würde. Außerdem sind dort sehr viele unterschiedliche Leute im Publikum. Normalerweise spielen wir aber lieber unsere eigenen Shows in Clubs oder Hallen.

Was hat der Titel eures  Albums „The New America“ zu bedeuten?
Es gibt momentan sehr viele Veränderungen in Amerika, aber es ist nicht klar in welche Richtung wir gehen. Es gibt sehr viele extreme Strömungen. Einige Leute glauben z.B., dass die Regierung sich gegen die Bürger verschworen hat, darum horten sie Lebensmittel und Waffen und bereiten sich auf einen Bürgerkrieg vor. Das ist total verrückt. Viele Leute glauben aber auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass alles gut läuft. Es sind schon seltsame Zeiten.

Wie ist deine persönliche Meinung? Siehst du optimistisch in die Zukunft oder siehst du eher die Gefahren die auf uns zukommen könnten?
Natürlich besteht immer die Möglichkeit, dass sich die Dinge positiv verändern, aber die meisten Leute haben überhaupt nicht die Motivation etwas zu verändern. Sie sind glücklich, so lange sie einen Job haben und es der Wirtschaft gut geht. Alles was auf der Welt passiert, das sie nicht persönlich betrifft interessiert sie nicht. Sie erkennen die Zusammenhänge nicht. Wenn sich solche Leute einmal mehr Gedanken machen und sich in verschiedene Dinge einmischen würden, wäre das eine gute Sache.

In eurem neuen Song „I love my Computer“ beschreibt ihr einen Menschen, der vollkommen auf seinen Computer fixiert ist. Seht ihr den zunehmenden Einfluss von Computern auf unser tägliches Leben als Gefahr an?
Ich finde es gefährlich, wenn es so weit geht, dass sich die Leute nur noch per Computer miteinander unterhalten und es überhaupt keine persönliche Kommunikation mehr gibt. Wie soll den eine Gesellschaft aussehen, in der man sich nicht mehr sieht, sondern nur noch über den Computer miteinander Kontakt hat?

War es sehr schwierig ein neues Album zu machen? Die Erwartungen an euch sind ja immer äußerst hoch.
Es wird mit jedem Album schwieriger etwas neues zu bringen und Songs zu schreiben, die nicht genau gleich klingen wie die alten. Wir sind nunmahl eine Punkband und daher haben wir nicht so viele Möglichkeiten unseren Sound zu variieren. Wenn wir etwas total anderes ausprobieren würden, würde es sich vielleicht scheisse anhören, oder unseren Fans nicht gefallen.

Welches Bad Religion Album gefällt dir am besten?
Das verändert sich ständig. Manchmal kommt es auch vor, dass ich ein Album, dass mir ursprünglich nicht so gut gefallen hat, richtig gut finde, wenn ich es ein paar Jahre später wieder höre. „Against the Grain“ ist aber auf jeden Fall eine meiner Lieblingsscheiben.

Ihr seid schon seit längerem bei Sony unter Vertrag, also bei einem Major Label. Gibt es dort irgendwelche Auflagen, an die ihr euch halten müsst, oder könnt ihr immer noch zu hundert Prozent das machen, was ihr wollt?
Die Leute von Atlantic Records, von denen wir in Amerika vertrieben werden, hatten Probleme mit einem Bild, das wir für unser neues Album verwenden wollten. Auf diesem Bild sieht man Schulkinder, die Waffen in den Händen halten und auf die Fahne der Vereinigten Staaten einen Treueeid schwören. Dieses Bild wird auf der amerikanischen Version von „The New America“ nicht zu sehen sein. Ansonsten hatten wir aber noch nie Probleme mit den Major Labels und es gibt auch keinerlei Auflagen, an die wir uns halten müssen.

Wie bist du mit Punkrock in Kontakt gekommen?
Als ich jünger war habe ich die Beatles und solche Sachen gehört. Irgendwann habe ich dann angefangen Heavy Metal zu hören und der nächste Schritt ging dann hin zum Punkrock. Ich fand diese Musik so cool, weil sie zwar aggressiv, aber trotzdem einfach zu spielen ist. Die Lieder von Van Halen oder so konnte ich nicht nachspielen.

Welche Punkrockbands haben dich besonders beeinflusst?
Die erste Punkrockband die ich gehört habe waren die Ramones. Außerdem gab es eine Band aus L.A., die The Middle Class hieß. Die habe ich einmal live gesehen und das hat mir Hoffnung gemacht vielleicht auch einmal in einer Band spielen zu können, denn ich habe festgestellt, dass man auch mit simplen Mitteln tolle Musik machen kann.

Unterscheidet sich die Punkrockszene von heute deiner Meinung nach sehr von der Szene wie sie in den frühen Achtzigern war?
Der Punkrock ist heute auf jeden Fall viel näher am Mainstream als damals. Heutzutage kann man in jedem Musikgeschäft eine Menge Punkrockalben finden. Als ich angefangen habe, diese Musik zu hören, kannte ich gerade mal zwei Läden, wo man Punkrockplatten kaufen konnte. In den großen Geschäften hat man damals höchstens Platten von den richtig bekannten Punkbands wie den Sex Pistols oder The Clash bekommen. Außerdem war die Szene zu dieser Zeit viel gewalttätiger als heute. Es gab oft Ausschreitungen, weil z.B. Konzerte von der Polizei abgebrochen wurden. Die Gewalt ist immer mehr außer Kontrolle geraten und eine Zeit lang war es wirklich ziemlich heftig. Heute sind die Leute aber schlau genug, nicht sinnlos irgendwelche Sachen zu zerstören.

Seht ihr euch selbst eigentlich immer noch als Punkrocker? Einige der Bandmitglieder sind ja mittlerweile verheiratet und haben Familie.
Für mich ist Punkrock eigentlich mehr eine Lebenseinstellung. Was mich am Punkrock fasziniert hat ist, dass es keine festgelegten Regeln gibt. In Südkalifornien, wo ich herkomme, war es früher so, dass die Rollen, die man einnehmen konnte sehr festgelegt waren. Entweder war man ein Surfer oder eine Sportskanone oder jemand der sehr viel für die Schule macht. Für die Leute, die in keine dieser Rollen gepasst haben, war eigentlich kein Platz. Ich habe mich zwar auch für Sport interessiert, aber ich bin auch gerne auf Konzerte gegangen oder habe gelegentlich Grass geraucht. Punkrock hat für mich bedeutet, dass ich machen kann was ich will und dass ich ich selbst sein kann. Das vesuche ich auch heute noch.
Meiner Meinung nach kann man die Dinge immer am besten von innen heraus verändern. Der Punkrock hat z.B. zu vielen Veränderungen in der Musikindustrie geführt. Vor zehn Jahren gab es im kommerziellen Musikgeschäft keine Bands, die ihre Songs oder die Covers ihrer Alben selbst bestimmen konnten. Die Plattenfirmen hatten zu dieser Zeit noch viel mehr Macht. Durch den Erfolg von Punkrock und den Independent Labels wurden die Major Labels gezwungen, den Bands mehr Freiheiten zu geben und das ist eine gute Sache.

In wie weit nutzt ihr eure Bekanntheit, um etwas zu verändern?
Ich persönlich versuche vor allem jungen Bands zu helfen, indem ich für sie den Kontakt zu Plattenfirmen herstelle oder ihnen Auftrittsmöglichkeiten verschaffe. Ich weiß noch genau wie schwer es für uns war, als wir angefangen haben und heutzutage ist es mit Sicherheit nicht einfacher.

Bist du der Meinung, dass ihr euren Idealen immer treu geblieben seid?
Ich glaube schon, dass wir unseren Idealen treu geblieben sind. Natürlich muss man manchmal auch Kompromisse eingehen, aber besonders oft kam das bei uns nicht vor.

Wie würdest du die Message, die ihr als Band rüberbringen wollt beschreiben?
Ich denke unsere Hauptaussage lautet: „Sei du selbst und denke eigenständig.“

Ist das die Hauptaussage aller Bad Religion Alben oder hat sich eure Message über die Jahre verändert?
Ganz am Anfang, als wir noch im Teenageralter waren, ging es uns einfach nur um Rebellion. „Fuck school“, „everyone sucks“, „fuck the president“, solche Sachen. Mit der Zeit sind uns gesellschaftskritische Themen aber immer wichtiger geworden.

Gibt es irgendwelche berühmte Persönlichkeiten, die du als Vorbilder ansiehst?
Nein, eigentlich gibt es niemand, den ich als mein Vorbild bezeichnen würde.

Wie seid ihr darauf gekommen eure Band Bad Religion zu nennen?
Wie gesagt, in der Anfangszeit ging es uns hauptsächlich darum zu provozieren und wir haben gewusst, dass wir mit dem Bandnamen und dem Bandlogo die Leute schockieren würden.

Bad Religion gibt es jetzt schon seit zwanzig Jahren. Habt ihr euch selbst ein Limit gesetzt, wie lange ihr noch weitermachen wollt, oder lasst ihr das einfach auf euch zukommen?
Im Prinzip lassen wir das einfach auf uns zukommen. Es gibt so eine Kinderband aus Puerto Rico, deren Mitglieder durch jemand anderes ersetzt werden sobald sie vierzehn sind. Vielleicht sollten wir das bei uns auch machen sobald jemand vierzig wird. (Lacht)

Seht ihr den relativ hohen Altersunterschied zwischen den Bandmitgliedern und den Fans als Problem an oder ist es euch egal, wenn hauptsächlich Teenager zu euren Konzerten kommen?
Eigentlich ist uns das egal, denn das Wichtigste ist, dass die Fans, die zu unseren Shows kommen, Spass haben. Natürlich würde es uns auch freuen, wenn mehr ältere Leute zu unseren Konzerten kommen würden, aber ich kann gut verstehen, dass den Leuten ab einem bestimmten Alter andere Sachen wichtiger sind. Ich war früher fast jeden Tag auf einem Konzert, aber heute habe ich auch viele andere Interessen.

Wie siehst du die Zukunft des melodischen Punkrocks im Allgemeinen? Gibt es deiner Meinung nach viele junge Bands, die einen eigenen Sound bzw. neue Ideen haben?
Leider sind sich die meisten Bands ziemlich ähnlich und es gibt nur wenig neue Ideen. Das ist wirklich traurig. Ich finde die Kids sollten einfach mal versuchen, etwas Neues auszuprobieren.

Kennst du auch Bands die das machen?
Die letzte Band, die ich live gesehen habe und die ich richtig cool fand, hieß Mindless Self-Indulgence. Die kommen aus New York. Ihre Musik ist sehr schnell und punkig, aber sie verwenden einen Drumcomputer und Keyboards.

Hast du auch in deiner Freizeit Kontakt zu den anderen Bandmitgliedern oder seht ihr euch nur wenn ihr zusammen im Studio oder auf Tour seid?
Wir telefonieren gelegentlich, aber wir sehen uns nicht regelmäßig. Das wäre auch gar nicht möglich, da wir alle in verschiedenen Städten wohnen. Zu der Zeit, als wir alle noch in Los Angeles gewohnt haben, war das allerdings auch nicht anders. Meiner Meinung nach ist es für die Band besser, wenn man sich in der Freizeit nicht zu oft sieht. Die Band bleibt dadurch interessanter und man geht sich gegenseitig nicht so leicht auf die Nerven.

Habt ihr manchmal Schwierigkeiten eure unterschiedlichen Ideen zu einem neuen Album
unter einen Hut zu bekommen?
Eigentlich nicht. Wir machen schon sehr lange miteinander Musik und haben viel Erfahrung, von daher haben wir keine Schwierigkeiten uns aufeinander einzustellen.

Ist es ein großes Problem für dich, dass du deine Familie nicht siehst, wenn ihr auf Tour seid?
Ich habe eine Tochter und es fällt mir natürlich schon schwer, wenn ich sie für längere Zeit nicht sehen kann. Ich versuche aber immer darauf zu achten, dass die Abstände, in denen wir uns sehen, nicht zu groß werden.

Macht euch das Touren überhaupt noch Spass oder seht ihr es eher als lästige Pflicht an?
Das Touren macht uns schon noch Spass. Es gibt mit Sicherheit wesentlich unangenehmere Jobs. Wir können uns wirklich nicht beschweren.

Habt ihr während eine Tour auch die Möglichkeit euch irgendwelche Sehenswürdigkeiten anzuschauen oder bleibt dafür keine Zeit?
Wir versuchen immer so viel wie möglich zu unternehmen. Wenn wir in Europa unterwegs sind gehen wir z.B. oft Go-Kart fahren. Das macht eine Menge Spass und die Strecken hier sind viel besser als die in Amerika. Wir schauen uns aber auch gerne kulturelle Sehenswürdigkeiten an.

Jetzt noch einmal eine Frage zu deiner politischen Einstellung. Empfindest du manchmal auch patriotische Gefühle für die Vereinigten Staaten?
Nein, überhaupt nicht. Meiner Meinung nach sind alle Länder schlecht, denn alle haben dunkle Kapitel in ihrer Geschichte. Die einzige Ausnahme ist vielleicht Bhutan. Das ist ein kleines buddhistisches Königreich im Himalaya, das ziemlich isoliert liegt. Es war noch nie in einen Krieg verwickelt und die Menschen die dort leben sind sehr glücklich. Wirklich ein sehr interessantes Land.
Abgesehen davon finde ich aber nicht, dass sich die Leute in irgendeinem Land wegen ihrer Vergangenheit mehr schämen sollten als in einem anderen. Das ist totaler Quatsch, denn alle Länder sind schlecht.

Jochen Nawrotzki für www.brokensilence.de