Pennywise - Interview1

home pennywise millencolin nofx die aerzte bad religion blink 182 no fun at all no use for a name

interview I

Im Rahmen ihrer Tour durch einige deutsche Clubs im März 2000 hatte ich die Gelegenheit mit Byron, dem Schlagzeuger der Band, zu sprechen, der sich äußerst redefreudig zeigte.

Pennywise aus Hermosa Beach in Kalifornien gibt es bereits seit 1988 und bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden bereits sechs Alben veröffentlicht. Der absolute Tiefpunkt für die Band war der Selbstmord des Bassisten und Bandgründers Jason Matthew Thirsk im Jahre 1996. Durch diese schmerzliche Erfahrung geprägt veröffentlichte die Band 1997 das ziemlich düster und rauh klingende Album Full Circle, dessen Titel vermuten ließ, dass es sich hierbei um die Letzte Pennywise Veröffntlichung handeln könnte. Im vergangenen Jahr meldeten sich Pennywise mit Straight Ahead allerdings eindrucksvoll zurück. Es handelt sich hierbei um ihr musikalisch ausgefeiltestes Album und man kann an den Texten und der Musik deutlich erkennen, dass die Band ihren Optimismus und ihre positive Lebenseinstellung zurückgewonnen hat.

Bekommt ihr eigentlich viel von Land und Leuten zu sehen wenn ihr auf Tour seid oder bekommt ihr in erster Linie nur die Clubs in denen ihr spielt zu Gesicht?
Das ist unterschiedlich, kommt ganz drauf an wie stressig die Tour ist, aber wir versuchen uns so viele alte Gebäude und andere kulturelle Sehenswürdigkeiten wie möglich anzuschauen, sofern wir die Zeit dafür finden.

Bist du der Meinung, dass die Erfahrungen, die ihr beim Touren machen konntet, euch verändert haben?
Ich würde nicht sagen, dass diese Erfahrungen uns verändert haben, aber sie öffnen einem auf jeden Fall die Augen. Es ist einfach ein schönes Gefühl zu erkennen, dass es auch am anderen Ende der Welt Leute gibt, die genauso denken wie du. Man hat oft falsche Vorstellungen davon, wie die Leute in anderen Ländern sind, aber wenn man schließlich dort ist, merkt man, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind, sondern dass die Menschen überall ziemlich ähnlich sind.

Gilt das auch für das Verhalten des Publikums auf euren Konzerten oder gibt es da Unterschiede?
Mit dem Publikum auf den Konzerten ist es etwas anderes. Die Leute reagieren sehr unterschiedlich auf unsere Musik. Das Publikum in Amerika ist oft ziemlich gewalttätig, hier in Deutschland geht es lockerer zu und bei den Japanern gibt es meistens gar keinen Pogo, sondern die Leute schauen sich einfach das Konzert an.

Warum glaubst du ist das Publikum in Amerika gewalttätiger als hier?
In Amerika ist es oft so, dass ein kleiner Teil des Publikums in den Liveshows eine Gelegenheit sieht  sich zu schlagen und andere Leute zu verletzen. Dieser kleine Teil kann dem friedlichen Teil der Zuschauer natürlich das ganze Konzert verderben.

Sind das Leute, die überhaupt nicht an der Musik interessiert sind?
Naja, sie können durchaus auch an der Musik interessiert sein, aber sie sind einfach beschränkt und denken es wäre cool sich so zu verhalten. Leider gibt es solche Leute.

Mich würde jetzt mal interessieren wie du überhaupt mit der Punkrockszene bzw. mit der Musik in Berührung gekommen bist?
Ein Kumpel von mir aus der Highschool hat mir die ersten Platten aus dieser Richtung vorgespielt, die er von Jason bekommen hatte. Durch ihn habe ich auch Jason und Fletcher kennengelernt.

Gab es eine bestimmte Band, die dir auf Anhieb besonders gut gefallen hat?
Ja, das waren die Angry Samoans, aber auch viele der anderen frühen Punkbands haben mir auf Anhieb gut gefallen.

Wie alt warst du damals?
Ich glaub ungefähr sechzehn.

Gab es einen bestimmten Grund dafür, dass ihr eure Band nach der Figur Pennywise aus dem Buch „ES“ von Steven King benannt habt, die ja eine böse Figur ist?
Eigentlich war der Name die Idee eines Kumpels von uns. Wir wußten nicht wie wir uns nennen sollten und er hatte das Buch gelesen und meinte einfach: „Hey, ich hab den perfekten Namen für euch.“ , das war alles. Die Figur ist zwar eine böse Figur, aber du solltest das Buch lesen um zu verstehen, was für eine Bedeutung sie eigentlich hat.

Ich denke, dass man an Songs wie Straight Ahead oder Still Can Be Great sehen kann, dass ihr eine sehr positive und hoffnungsvolle Einstellung zum Leben habt. Gab es irgendjemand, der euch beinflußt hat so zu denken?
Auf unserer aktuellen Platte haben wir wieder versucht Lieder in dem Stil zu schreiben wie Jason es tat. Seine Songs waren immer sehr positiv und hoffnungsvoll und es ging darum, dass man Dinge verändern kann. Diese Gedanken wollten wir wieder verstärkt einbringen.

Was hältst du von dem Spruch man kann nicht die Welt sondern nur sich selbst verändern?
Das ist lächerlich. Du kannst sowohl dich selbst, als auch die Welt verändern, es gibt genügend Leute in der Geschichte, die gezeigt haben, dass es möglich ist Veränderungen zu bewirken.
Wir selbst versuchen auch etwas zu erreichen. Wir unterstützen beispielsweise wohltätige Organisationen, indem wir Benefizkonzerte spielen.

Gibt es eine Person in der Geschichte oder in der Gegenwart, die dich besonders fasziniert oder die du als eine Art Vorbild betrachtest?
Ich glaube nicht, dass es jemand gibt, den ich als mein Vorbild bezeichnen würde. Personen wie Martin Luther King faszinieren mich aber schon, eigentlich alle Leute, die gezeigt haben, dass es möglich ist die Welt zu verändern.
Jason hat auch immer gesagt, jeder neue Tag an dem du aufwachst ist ein Tag den du noch nie zuvor gesehen hast, also wenn du etwas verändern willst geh´ einfach raus und mach es. Du wirst immer Leute finden, die genauso denken wie du und gemeinsam ist man stark. Es ist auch wichtig die jüngeren Kids dazu zu bringen sich Gedanken zu machen, denn sie sind die Leute, die später die Möglichkeit haben werden etwas zu verändern und so wie es zur Zeit läuft kann es nicht weitergehen, besonders da wo wir herkommen geht es mit vielem ziemlich steil bergab.

Ist Hermosa Beach eine harte Gegend?
Nein, wir haben einen wunderschönen Strand und es gibt eine Menge Surfer und Musiker in Hermosa Beach aber es gibt in der Nähe auch Gegenden, die man besser meiden sollte, sonst könnte es sein, dass man nicht mehr zurückkommt.
Ich denke aber, dass es überall Gut und Böse gibt und in Hermosa Beach ist eben vieles hinter einer schönen Fassade versteckt.

Was wolltet ihr mit eurem Song Alien, zu dem es ja auch ein Video gibt, ausdrücken?
Der Text hört sich ja nicht gerade positiv an.
Der Text dieses Songs ist super negativ, genauso wie die Gesellschaft. Wir versuchen die Leute mit diesem Song zu frustrieren, denn wenn sie frustriert genug darüber sind, was um sie herum passiert, beginnen sie vielleicht etwas dagegen zu unternehmen.
Man sollte auch nicht den Fehler machen zu denken, dass schlimme Dinge, die am anderen Ende der Welt passieren, einen nichts angehen, denn diese Dinge können sich auf die eine oder andere Art auch auf einen selbst auswirken. Der Song ist auf keinen Fall sarkastisch gemeint, aber wir wollen die Leute einfach frustrieren um sie zum Nachdenken zu bringen.

Gab es einen bestimmten Grund dafür, dass ihr gerade diesen Song als Single veröffentlicht habt?
Es ist einfach so, dass wir alle diesen Song ziemlich gut fanden, aber wir haben ihn nicht extra für´s Radio geschrieben.

Ist der Song erfolgreich?
Ja, es ist ok. Er wird im Radio gespielt, aber ich glaube nicht, dass wir deswegen mehr Platten verkaufen.

Glaubst du eigentlich, dass es möglich ist sich selbst und seinen Idealen treu zu bleiben, wenn man so erfolgreich ist, wie es beispielsweise Green Day waren?
Ich denke es ist auf jeden Fall möglich, es kommt aber ganz auf die Leute an. Schau dir zum Beispiel Offspring an, sie sind eine der bekanntesten Bands der Welt, aber sie haben nichts zu sagen. Ich möchte nicht schlecht über sie reden, aber ihnen stehen so viele Möglichkeiten offen etwas zu verändern und sie nutzen sie nicht. Vor kurzem hatten sie eine einstündige Radioshow. Eigentlich war es ganz nett, sie haben z.B. eines unserer Lieder gecovert, aber sie haben den Zuhörern nichts rübergebracht. Ich denke es gibt sehr viele Dinge die falsch laufen und die verändert werden müssen, die sie hätten ansprechen können, aber sie haben es nicht getan.
Wir sind gemessen an vielen anderen Bands auch ziemlich bekannt und wir haben uns bis zum heutigen Tag nicht verändert. Falls wir noch bekannter werden sollten werden wir die Möglichkeiten, die sich uns bieten nutzen. Wir würden zum Beispiel versuchen die Art und Weise wie die Clubs und die Radiosender mit den Bands umgehen zu verändern, denn das ist alles „political bullshit“. Jemand sollte einfach dafür sorgen, dass die Musik und die Leute die sie hören wollen wieder im Mittelpunkt stehen.
Uns geht es auch nicht ums Geld. Wir haben unsere Träume bereits erreicht, denn wir spielen die Musik die wir mögen und reisen um die Welt.

Macht ihr genug Geld mit eurer Musik um davon zu leben?
Ja, wir haben sogar die Möglichkeit die kleineren Bands, die genauso hart arbeiten wie wir, aber fast nichts verdienen, ein wenig zu unterstützen.

Was ist deiner Meinung nach die Message, die ihr durch eure Musik vermitteln wollt?
Unsere Botschaft lautet einfach: „Go straight ahead“. Steh auf von deiner Couch und geh´ nach draußen, dann kannst du alles erreichen, was du dir vornimmst. Wir sind der lebende Beweis dafür.
Durch Jason´s Tod haben wir einen der großartigsten Menschen auf der Welt verloren. Das war eine schreckliche Tragödie, aber wir haben daraus gelernt, dass auch solche schlimmen Dinge passieren können und dass das Leben trotzdem weitergeht.

Wenn du dir die gegenwärtigen Entwicklungen in der Gesellschaft anschaust, was denkst du, worin bestehen die Gefahren und worin die Hoffnungen für die Zukunft?
Eine Gefahr besteht darin, dass man nur herumsitzt und sich darüber beklagt wie schlecht die Welt ist, ohne etwas zu unternehmen um das zu ändern.

Glaubst du, dass die jüngeren Kids heutzutage nicht mehr so sehr daran interessiert sind etwas zu verändern?
Nein, ich glaube die Leute sind sogar sehr daran interessiert. Ich bin der Meinung, dass sich heute viele Kids Gedanken über das was passiert machen und auch sehr gut informiert sind.
Die Hoffnung für die Zukunft besteht sicher darin, dass wir endlich erkennen, das wir alle Menschen sind und alle gleich sind, ganz egal an welchen Gott wir beispielsweise glauben. Es ist auch sehr wichtig sich zu informieren. Viele Leute reden und reden, dabei wissen sie überhaupt nicht wovon sie eigentlich sprechen. Außerdem sollten die Leute mehr miteinander kommunizieren, denn wenn man miteinander ins Gespräch kommt, hat man die Möglichkeit, die Dinge einmal von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Aber die Kommunikation scheint ein Problem zu sein, da wo ich herkomme grüßen sich die Leute auf der Straße nicht einmal mehr, weil sie einfach Angst haben.

Jetzt mal eine Frage zur Zukunft des melodischen Punkrocks. Gibt es deiner Meinung nach viele gute Nachwuchsbands?
Ja, es gibt mit Sicherheit eine Menge guter, junger Bands, gerade auch in unserer Gegend. Sie sind natürlich von den bekannteren Bands beinflußt, aber ich finde sehr gut, dass sie hart daran arbeiten ihren eigenen Sound zu entwickeln.

Wie sehen die Zukunftspläne von Pennywise aus? Was darf man noch von euch erwarten?
Wir werden die Weltherrschaft an uns reißen! (lacht). Nein, aber im Moment geht es uns wirklich gut. Wir haben noch jede Menge zu sagen und sind voller Energie. Außerdem freut es uns, dass die Resonanz auf unser neues Album so positiv ist. Auf dieser Tour z.B. sind alle unsere Shows ausverkauft, das zeigt uns, dass sich die harte Arbeit auszahlt, die nötig war um das Album zu machen. Zur Zeit kann uns nichts aufhalten und wir werden probieren, noch so viele gute Alben wie möglich zu machen. So lange wir Spaß an der Sache haben werden wir weitermachen. Uns geht es nur um die Band und die Fans, die unsere Musik mögen, denn ihnen verdanken wir alles. Daher versuchen wir auch immer die Eintrittspreise für unsere Shows niedrig zu halten.

Weißt du schon was du in der Zeit nach Pennywise machen willst?
Nein, momentan denke ich einfach nur bis zur nächsten Platte, aber ich werde bestimmt weiterhin im Musikgeschäft tätig sein.

Hast du schonmal darüber nachgedacht, was du gemacht hättest, wenn du nicht bei Pennywise gelandet wärst?
Nein, das ist eine schreckliche Vorstellung. Wahrscheinlich hätte ich irgendwo ganz normal gearbeitet.

Welches Pennywise Album findest du eigentlich am besten?
Ich finde unser neues Album am besten, weil man diesmal etwas musikalisches Können heraushören kann. Wir haben ganz bewußt versucht viele unterschiedliche Elemente einzubauen, damit die Lieder nicht zu ähnlich klingen. Wir haben wirklich hart daran gearbeitet, denn wir wollten ein richtig gutes Album machen.

Wie werden bei Pennywise die Lieder gemacht?
Bei Alien war es z.B. so, dass Jim die Idee für den Song bereits fertig hatte und jeder von uns seinen Teil dazu eingespielt hat. Fletcher kam auch schon öfters mit fertigen Songideen an, aber meistens ist es so, dass wir die Songs gemeinsam entwickeln, was wirklich schwierig ist, da natürlich jeder von uns eine etwas andere Vorstellung davon hat wie der Song werden soll. Für das neue Album hatten wir um die dreißig Lieder zur Auswahl und wir haben schließlich die genommen, die uns am besten gefallen haben – da gab es eine heiße Auseinandersetzung. Zum Glück kennen wir uns schon so lange, dass wir es letztendlich immer schaffen, uns auf etwas zu einigen.

Ok. meine letze Frage: Hörst du privat noch viel Punkrock oder hörst du eher andere Musik?
Das ist verschieden. Wenn wir auf Tour sind hören wir im Bus meistens ruhigere Sachen wie z.B. Blues. Wir bekommen während der Konzerte so viel Punkrock zu hören, da braucht man etwas zum Ausgleich. Wenn ich zu Hause bin kommt es ganz auf meine Stimmung an. Wenn ich einfach nur gemütlich rumhängen will höre ich mir z.B. Bob Marley an, aber wenn ich skaten gehe höre ich mir natürlich etwas schnelleres wie z.B. Green Day an.
 

Byron war wirklich ein sehr angenehmer Gesprächspartner und man hat ihm richtig angemerkt, dass er voll hinter dem steht was er sagt.
Pennywise waren live mal wieder über jeden Zweifel erhaben, also verpasst sie auf keinen Fall, wenn sie das nächste Mal in eurer Nähe spielen.

Jochen Nawrotzki für www.brokensilence.de